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In vielen Anekdoten sind Fehler dokumentiert, die in der interkulturellen Kommunikation gnadenlos wirken können. Die richtige Art, die Visitenkarte zu übergeben, erscheint plötzlich als die Schlüsselqualifikation im Wettbewerb um ostasiatische Kunden. Und Trinkfestigkeit gilt als Grundbedingung für Erfolg in Russland. Nationale Eigenarten, aber auch nationale Vorurteile spielen also eine große Rolle, vor allem deshalb, weil sie die gegenseitigen Erwartungen prägen.
"Survival"-Literatur für Manager oder Vertriebsleute im Ausland ist vielfältig vorhanden, ebenso gibt es ein ausreichendes Angebot an interkulturellem Training, das zur Vorbereitung auf Auslandstätigkeiten dienen soll. Die Fußangeln zu kennen und zu vermeiden, ist natürlich wichtig. Auf der anderen Seite ist immer wieder deutlich, dass ein klarer eigener Standpunkt schon viel wert ist. Vertrauen erwirbt man sich durch Verlässlichkeit, und jemand, der sich sehr flexibel an nationale Eigenheiten anpassen kann, kann es möglicherweise schwerer haben, als verlässlicher und berechenbarer Partner angesehen zu werden, als jemand mit ausgeprägt nationaler Identität.
Wie so oft, geht es hier auch um den "gesunden Mittelweg". Dem Gesprächspartner entgegenkommen, indem man Situationen vermeidet, die ihm die Kommunikation erschweren und damit die Beziehung belasten. Gleichzeitig aber auch eine klare eigene Position bewahren - das ermöglicht eine klare und deutliche Wahrnehmung durch den anderen. Es kommt darauf an zu lernen, sich von Unsicherheiten nicht verunsichern zu lassen, sondern gegebenenfalls zurückzufragen.
In diesem Zusammenhang zeigt sich wiederum der hohe Wert, den die intensive Wahrnehmung und das Erleben unterschiedlicher Kulturen für die eigene Persönlichkeit hat. Es kommt dabei nicht unbedingt darauf an, sich in verschiedenen Kulturen "wie ein Fisch im Wasser" zu fühlen, sondern auf die Erkenntnis, dass eigene Einstellungen und Werte nicht so eherne Grundsätze sind, wie sie im Heimatland vielleicht erscheinen.
Das klassische Beispiel sind die unterschiedlichen Vorstellungen von Pünktlichkeit, die schon oft zu Unmut zwischen Partnern mit unterschiedlichen kulturgeprägten Wertvorstellungen geführt haben. Ein anderes Beispiel ist das unterschiedliche Argumentationsverhalten, das die Verhandlungsführung kompliziert macht.
JA!? |
Ja, das habe ich verstanden! |
Ja, ich stimme zu! |
Abb. 36: Unterschiedliche Höflichkeits- und Ehrlichkeitsregeln führen zu kultureller Unsicherheit
Interkulturelles Training bietet eine gute Vorbereitung auf solche Situationen. Dabei kann man zwei Formen unterscheiden: Neben Maßnahmen, die speziell auf die Bedingungen eines einzelnen Landes, einer bestimmten Kultur eingehen, gibt es solche, die interkulturelle Kompetenz kulturübergreifend vermitteln.
kulturspezifisch | kulturunspezifisch | |
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Orientierungswissen vermitteln | Landeskunde | (Kulturbegriffe, Kulturtheorien...) |
Handlungswissen vermitteln | länderspezifisches interkulturelles Training | allgemeines interkulturelles Training |
Abb. 37: Unterschiedliche Formen interkulturellen Trainings
Im Mittelpunkt solcher kulturübergreifender Maßnahmen stehen Übungen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, die Vermittlung von Verhandlungsstrategien in kulturell unsicheren Situationen und die Vorbereitung auf kulturbedingte Konflikte.
Allgemeines interkulturelles Training, das für Kulturunterschiede sensibilisieren soll, kann eine wichtige Erfahrung sein, und in vielen Fällen auch die Kommunikation in fremdem Umfeld erleichtern. Für Personen, die sich in außergewöhnlich fremden Umgebungen und in Konfliktsituationen bewähren müssen, wie es z.B. für Entwicklungshelfer und Krisenhelfer zutrifft, ist eine solche Sensibilität unabdingbar. Im Geschäftsleben ist eine solche Konfliktsituation jedoch meist nicht in dieser Schärfe anzutreffen.
Aus diesem Grunde scheint eine kulturspezifische Vorbereitung für Unternehmensvertreter eher angebracht. Unabhängig davon ist eine Reflexion des eigenen Verhaltens und des Umgangs mit kulturell unsicheren Situationen vor allem für Führungskräfte wichtig. Probleme in der Kommunikation multiplizieren sich, wenn sie im Führungsverhalten deutlich werden, weil Führungsprobleme sehr leicht zu Leistungsdefiziten in ganzen Organisationseinheiten führen können. Das Führungsverhalten im internationalen Umfeld bedarf daher einer besonders sorgsamen Beobachtung durch die Unternehmensleitung und gegebenfalls einer Unterstützung bzw. Coaching durch den jeweiligen Vorgesetzten oder einen externen Partner.
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