8. Kleine Zeichen haben oft große Wirkung
Kommunikation findet auch unbewußt statt. Es ist erstaunlich anzusehen, welche Effekte unbewußte Zeichen des Chefs auf die Mitarbeiter haben.
Als zuverlässiger und langjähriger Lieferant des Bergbaus hatten sich mentale Besonderheiten im Unternehmen etabliert. Durch den enormen Aufstieg der Kohle nach dem zweiten Weltkrieg und dem schier unendlich scheinenden Bedarf, hatte sich eine elitäre, ja fast überhebliche Denkart bei allen Unternehmensangehörigen ausgebreitet. Darüber hinaus gestärkt durch das Wissen um die hohe Qualität der eigenen Produkte, war man sich einig, daß diesem Unternehmen nichts passieren könne.
Als Ende der 80er Jahre durch die Entwicklungen im Bergbau ein neuer Kurs eingeschlagen werden mußte, setzte die Geschäftsführung das Ziel, eine schlagkräftige und international tätige Firma zu werden, die unabhängig vom Bergbau ist. Dazu mußten alle umdenken. Die Entwicklungsabteilung mußte industriespezifische Innovationen erfinden, der Verkauf mußte zu einem echten Vertrieb werden.
Trotz der knapper werdenden finanziellen Mittel setzte der Junior durch, daß zunächst die gesamte untere Etage des Firmengebäudes umgebaut wurde. Empfing man früher seine Besucher nostalgisch in der kirschbaum-vertäfelten Eingangshalle mit lebensgroßer Puppe in Bergmannsuniform und dem Kohlebrocken mit Abbauhammer, sollte sich dies nun ändern. Die Kirschbaum-Vertäfelung wich einer freundlichen hellen Farbe und die Bergbauutensilien einer kleinen Ausstellung über die Einsatzgebiete der firmeneigenen Produkte. Hinter der ersten Tür war nun ein Empfang anstelle des Einkaufsbüros und im Zwischengang vom Firmengebäude zum Betrieb mußte das Planungsbüro neuen Besprechungsräumen weichen. |
Hier wurden gegenüber den Mitarbeitern und Besuchern gleich mehrere Zeichen gesetzt. Die Nachricht könnte in etwa lauten: - Das Unternehmen ist innovativ und weltweit an wichtigen Projekten beteiligt (Ausstellung).
- Im Vordergrund steht die Kundenorientierung, nicht die Verwaltung (Empfang durch Rezeption, nicht Einkauf).
- Vertrieb, Entwicklung und Produktion reden gemeinsam miteinander (Teamräume).
Aus den Gesprächen mit den Mitarbeitern war klar zu erkennen, daß genau diese implizite Nachricht angekommen ist. Durch die Umbaumaßnahme dokumentierte die Geschäftsleitung, daß es ihr Ernst ist mit den offiziell herausgegebenen Zielen.
Stimmt diese implizite Kommunikation nicht mit den offiziell ausgesprochenen Zielen überein, hat sie eine sehr kontraproduktive Wirkung. Sie hat die Macht, alle Ziele unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Dies reicht sogar bis in den privaten Bereich des Unternehmers hinein, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. Noch einmal sei eine Mitarbeiterin zitiert.
"Unser Junior hat eine sehr angenehme Kindheit genossen und sich eher um Tennis und andere Nebenbeschäftigungen gekümmert als um die Firma. Studiert hat er in Frankfurt und auch dort geheiratet. Als er das Unternehmen hier übernommen hat, behielt er seinen Wohnsitz bei. Er fährt jeden Tag von Frankfurt eine Stunde hier hin und zurück. Ich glaube, er sieht das hier eher als Job und wäre auch bereit, das Lebenswerk seines Vaters zu verkaufen." |
Nur sehr wenige der befragten Unternehmer wohnten nicht in dem Ort ihrer Firma. In allen Fällen wurde dies von den Mitarbeitern negativ bemerkt. Sie werteten die Wahl des Wohnsitzes als deutliches Zeichen für die fehlende Identifikation des Juniors mit dem Unternehmen: "Wenn sich der Chef schon nicht mehr mit dem Laden identifiziert, warum sollen wir es dann tun?"
Unbewußte Signale, wie sie durch die Wahl des Wohnsitzes erfolgen, werden von den Junioren zumeist deutlich unterschätzt. Gerade bei einem neuen Chef werden solche Punkte besonders kritisch begutachtet, um eine Einschätzung der Grundeinstellung zu erlangen. Dieses kritische Betrachten ist Ausdruck der Ängste, die Mitarbeiter vor dem Neuen haben.
Es ist blauäugig zu meinen, die Mitarbeiter bekämen Details aus dem Leben des Juniors nicht mit. Ein Junior-Unternehmer erzählte wie folgt.
"Seit Jahren ziehe ich mich mehr und mehr aus dem Unternehmen zurück und trete zunehmend in den Hintergrund. Meine beiden Prokuristen leiten das Unternehmen hervorragend. So bleibt mir Zeit, mich um unser Haus in Nizza zu kümmern. Aber das bekommen die Mitarbeiter ja nicht mit, da ich sowieso oft nicht im Büro bin."
Tatsache ist, daß es die Mitarbeiter sehr wohl mitbekommen und sich enttäuscht in den Interviews darüber äußerten. Sie werten das Verhalten des Juniors als Desinteresse am Unternehmen und ihrer Person. |
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