4. Neue Führungskräfte müssen zum Unternehmen passen
Innerhalb von wenigen Jahren hatten viele leitende Angestellte und Prokuristen das Unternehmen aus Altersgründen verlassen. Nach Meinung der neuen Geschäftsleitung saßen kaum ausreichend qualifizierte Mitarbeiter in der 3. Ebene, um die entstandenen Löcher zu stopfen. So wurden zum ersten Male in der Geschichte des Unternehmens Führungskräfte von außen geholt. Heute, 6 Jahre später, ist kein einziger dieser neuen Mitarbeiter mehr im Unternehmen.
Das große Problem, so der Junior im Gespräch, war die fehlende Erfahrung des Unternehmens in der Rekrutierung von Mitarbeitern. Niemand wußte so recht, welche Kriterien entscheidend sein würden und wie man sie abfragt. So kam es, daß man sich ausschließlich auf fachliche Qualifikationen verließ und die Integrationsfähigkeit der Leute in eine über lange Jahre gewachsene Unternehmenskultur vernachlässigte. Erst im zweiten Anlauf gelang die Bewältigung dieser Aufgabe. |
Neue Mitarbeiter in ein mittelständisches und durch Kontinuität geprägtes Unternehmen zu integrieren, birgt Schwierigkeiten. Viele mittelständische Unternehmen verfügen nur über geringe Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt für Führungskräfte. Zumeist wurden Mitarbeiter in der Vergangenheit aus der direkten Umgebung rekrutiert und begannen ganz unten. Führungspositionen wurden aus den eigenen Reihen besetzt.
Es ist schwer, geeignete Ratschläge zu geben, wie man Führungskräfte rekrutiert. Lösungen mögen in Prinzipien liegen wie "Wir stellen keine Konzernmanager ein" oder in der Suche nach professioneller Unterstützung, etwa durch einen Personalberater. Gerade letztere Lösung ist mit großer Vorsicht zu genießen, da der externe Berater die Besonderheiten des eigenen Unternehmens noch schlechter kennt und zumeist auch auf die Großindustrie spezialisiert ist.
In jedem Fall sollte man sich der Problematik bewußt sein und dementsprechend vorsichtig handeln. Neben der fachlichen Qualifikation und der sprichwörtlichen Chemie, die stimmen muß, ist auch hier auf einen Kultur-Fit zu achten. Mitarbeiter, die aus völlig anderen Branchen kommen oder z.B. aufgrund der Unternehmensgröße ein ganz anderes Arbeitsumfeld gewohnt sind, haben vielleicht Schwierigkeiten mit der Kultur des Unternehmens. Diese Aussage gilt allerdings mit Einschränkungen, wenn für die zukünftigen Aufgaben und Ziele des Unternehmens bewußt ein neues Know-how oder Kulturgut eingesetzt werden soll. Auch dies soll ein Beispiel verdeutlichen.
Trotz der stark ingenieurgetriebenen Ausrichtung des Unternehmens hatte es in den letzten 50 Jahren neben dem Senior keine Diplom-Ingenieure im Unternehmen gegeben. Die Produkte wurden vom Chef persönlich in Zusammenarbeit mit seinen Meistern entwickelt.
Der Junior hatte Betriebswirtschaft studiert und setzte sich zum Ziel, die Innovationsrate zu verfünffachen, um mit den neuen Produkten in neue und auch internationale Vertriebssegmente vorzustoßen. Im Laufe von 5 Jahren rekrutierte er 10 Diplom-Ingenieure, die sich heute um die Betriebsleitung, die Grundlagenforschung und die Entwicklung kümmern. Die Integration der Akademiker bereitete anfangs große Problemen, da Konflikte mit den alten Mitarbeitern entstanden. |
Der Einsatz neuer, externer Mitarbeiter kann somit einen starken Eingriff in die Unternehmenskultur bewirken. Er kann vor allem den Neid altgedienter Mitarbeiter hervorrufen. Auch wenn es kein Patentrezept geben kann, wie man die Aufgabe meistert, man sollte sich bewußt sein, daß Kultur ausschließlich in den Köpfen der Mitarbeiter lebt und somit die Integration neuer Köpfe ein wesentlicher Punkt bei der gezielten Gestaltung einer Unternehmenskultur sein kann.
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