Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Junior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

7. Haben Sie Mut, alte Gewohnheiten zu überprüfen

War im letzten Abschnitt von Traditionen die Rede, mit denen man vielleicht leben muß, geht es im folgenden um Verhaltensweisen, die durch den Senior geprägt wurden und geradezu den Stellenwert von Brauchtum haben. Nicht immer sind solche Umstände wünschenswert, wie das folgende Beispiel eindringlich zeigt.

Über die gesamte Existenz des Unternehmens hinweg gab es eine Farbe, mit der nur der Chef schreiben durfte. Der lila Stift diente zur Korrektur von ausgehenden Briefen oder Vermerken auf anderen Unterlagen. Jeder Brief, der das Unternehmen verließ, wurde vorher vom Chef Korrektur gelesen. Da er sehr penibel war, gab es fast immer Verbesserungen, meistens sogar mehrere hintereinander.

Die Wirkung dieses Verhaltens auf die Mitarbeiter war verheerend, wie eine Mitarbeiterin berichtete: "Da man sowieso wußte, daß es korrigiert wird, gab man sich auch keinerlei Mühe mehr. Wir haben es einfach runtergeschrieben und der Chef hat dann seine eigene Version daraus gemacht. Viele sind daran zerbrochen. Seine Sekretärinnen wechselten fast jährlich. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich diesen lila Stift gehaßt habe."

Die Gefahr von derartigen "Erblasten" liegt weniger in dem Brauchtum ("lila Stift") als vielmehr in der Verselbständigung der damit einhergehenden Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Hierzu sei noch ein weiteres Beispiel aufgeführt.

Das Unternehmen hatte seit jeher höchste Qualität und fast ausschließlich für den heimischen Markt produziert. Mit dem Ziel, neue Märkte im Ausland zu erobern, setzte sich der Junior mit einem Team zusammen, um preisgünstige Produkte für den Export zu entwickeln. Als die Diskussion um eine Sicherheitsvorrichtung ging, die aus Kostengründen eingespart werden sollte, stieß der Junior auf vehementen Widerstand der Ingenieure. Erst nachdem er versprach, diese Entscheidung dem Entwicklungschef schriftlich zu geben, konnte er sich durchsetzen.

Als 7 Jahre später eine Beanstandung kam, präsentierte der Entwicklungschef sofort seine schriftliche Entlastung.

Auch hier hatten sich tradierte Verhaltensweisen bis weit nach dem Ausscheiden des Seniors hinaus erhalten. Sicherheit war stets das oberste Gebot gewesen. Um von derartigen ungeschriebenen Gesetzen abzuweichen, mußte man sich absichern. Es ist äußerst schwierig, solche Denk- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter zu ändern. Aus den Interviews lassen sich aber einige Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Oberstes Gebot ist, von Anfang an laut und oft die Ziele und die Art und Weise, wie diese erreicht werden sollen, den Mitarbeitern deutlich zu machen.
  • Noch wichtiger ist, daß man sich konsequent an selbst aufgestellte Vorgaben hält und sie durch das eigene Handeln vorlebt.
  • Schließlich sollte Fehlverhalten mit Sanktionen verbunden sein, d.h. zum Beispiel, daß Lösungen nur noch in Teams erarbeitet werden in denen der Einzelne seine Autonomie verliert oder, daß bestimmte Aufgaben an andere Mitarbeiter gegeben werden. Manchmal kann es auch unvermeidbar sein, sich von einem Mitarbeiter zu trennen.

Das Ankämpfen gegen unerwünschte, aber tiefsitzende Verhaltensweisen kann überlebensnotwendig für ein Unternehmen werden, wenn die dazu ehemals passende Leitfigur nicht mehr da ist. Wenn Mitarbeiter gewohnt sind, nur Briefentwürfe zu schreiben, dann bedarf es eines Chefs, der die Inhalte korrigiert. Will man sich aber diese Arbeit als Vorgesetzter nicht mehr machen, muß Vertrauen glaubhaft aufgebaut und die Selbständigkeit der Mitarbeiter gefördert werden. Vielleicht ist es dazu sogar notwendig, alle "lila Stifte" vor den Augen der Mitarbeiter zu vernichten.

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