Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Senior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

5.  Übertragen Sie frühzeitig Ihrem Nachfolger Verantwortung

Bereits im vorhergehenden Abschnitt wurde auf das oft hohe Alter der ausscheidenden Senioren hingewiesen. Ursache ist aber bei weitem nicht immer die Tatsache, daß man zu spät mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger beginnt.

Der 54-jährige Inhaber-Geschäftsführer berichtete, er habe vor 9 Jahren die Nachfolge seines Vaters angetreten, nachdem er 14 Jahre mit ihm zusammen im Unternehmen gearbeitet hatte. In diesen 14 Jahren hatte er so gut wie nie die Chance, Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen ging er durch alle Abteilungen, um – wie es hieß – das Unternehmen in all seinen Details kennenzulernen. So konnte er nie aus dem Schatten seines charismatischen und beliebten Vaters heraustreten. Frustriert übernahm er kurz vor dem Ausscheiden des Seniors die Geschäftsführung. Nur aus Pflichtgefühl gegenüber den Mitarbeitern nahm er von der Idee des Verkaufs Abstand.

Seine große Profilierungschance erhielt er dann doch noch, als nach 1990 ein erhebliches Wachstum in den neuen Bundesländern entwickelt werden konnte. Nach nicht einmal 10 Jahren verantwortungsvoller Tätigkeit im Unternehmen bereitet sich der Junior zur Zeit bereits auf seine eigene Nachfolge vor.

In dem beschriebenen Fall nahm das Unternehmen keinen Schaden, obwohl erhebliche Konflikte zwischen Senior und Junior im Laufe der Zeit entstanden, von denen auch die Mitarbeiter betroffen waren. Der Grund ist in dem glücklichen Umstand zu finden, daß das Unternehmen seit seiner Existenz in einem sehr geschützten und wenig dynamischen Markt operiert. So konnten negative Auswirkungen auf das Betriebsklima und fehlende Dynamik in der Führungskultur ohne Konsequenzen für das Unternehmen bleiben. In einer anderen Situation wäre die ohne Zweifel demotivierende Wirkung der langen Zusammenarbeit auf den Junior schwieriger zu verkraften gewesen, da er niemals eine Chance hatte, sein eigenes Profil, seine eigene Führungskultur zu entwickeln.

Gemessen an der Bewertung der Nachfolge durch die Junior-Unternehmer läßt sich ein Zeitraum der gemeinsamen Zusammenarbeit von 4 bis maximal 10 Jahren als günstig erachten. Dabei war in allen positiven Fällen 40-60% der Zeit gemeinsamer Zusammenarbeit auf gleicher hierarchischer Ebene. Diese Zeit der gemeinsamen Geschäftsführung wurde von den Beteiligten als sehr wichtig aber auch sehr problematisch angesehen. Zum einen ist es die Möglichkeit für den Junior, seinem Vorgänger über die Schulter zu schauen und viel zu lernen über die Art und Weise, wie die Dinge im Unternehmen gemacht werden. Zum anderen ist es aber auch die Zeit des ersten Loslassens für den Senior. Er muß akzeptieren, daß Entscheidungen ohne ihn getroffen werden, und er muß vor allem gegen Ende der gemeinsamen Arbeit einen langsamen Rückzug antreten, der gegenüber den Mitarbeitern zeigt, daß eine neue Ära beginnt. Diese beiden Seiten der letzten Phase einer Integration und Etablierung des Juniors werden weiter unten näher beleuchtet.

Interessanterweise wurde noch ein zweites Modell – zumindest in der Retrospektive – von den Interviewpartnern positiv bewertet. Die Rede ist von einer Zusammenarbeit von maximal einem Jahr, einer Zeitspanne also, in der oft nicht einmal eine gescheite Übergabe stattfinden kann, geschweige denn eine Einarbeitung des Nachfolgers. Bei einem Viertel der befragten Unternehmen kam es zu einer derart knappen Übergabe. Allerdings war dies nur in einem Fall beabsichtigt. In den anderen Fällen verstarb der Senior vor dem Eintritt des Juniors in das Unternehmen oder war aufgrund von Krankheit nicht zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit fähig.

Der Veränderungsgrad in der Unternehmenskultur war in diesen Unternehmen am größten. Zwei Erklärungen sind hierfür zu finden. Zum einen fehlt dem ausscheidenden Unternehmer die Möglichkeit zur Indoktrination des Juniors und des Einschwörens auf bewährte Prinzipien des Unternehmens. Zum anderen war in mindestens einem Fünftel der Fälle aufgrund von Krankheit das Geschäft in den Jahren vor der Nachfolge vernachlässigt worden. So bestand teilweise großer Handlungsbedarf, um das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Dessen ungeachtet scheint diese Variante einer sehr kurzen Zusammenarbeit bei normaler Ausgangssituation nicht empfehlenswert. Lediglich in Fällen gesundheitlicher Zwänge oder bei schnellem und resolutem Handlungsbedarf aufgrund einer ökonomischen Krise des Unternehmens ist eine derartige Lösung zu bevorzugen. Als Vorbild oder gar Idealfall kann sie freilich nicht angesehen werden, da in der Regel erhebliche Unruhe in das Unternehmen und seine Kultur gebracht wird.

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