4. Setzen Sie den Junior in eine Schlüsselfunktion
Ist der geeignete Nachfolger gefunden, geht es um seine Integration in das Unternehmen. Ziel sollte sein, daß er sich möglichst schnell in die entscheidenden Bereiche des Unternehmens einarbeitet, um später den Kern des Geschäfts und seine kulturellen Besonderheiten zu verstehen. Günstig hierfür kann oft eine Tätigkeit im Vertrieb sein, wie das folgende Beispiel zeigt.
Der Sohn des Inhabers eines Maschinenbauunternehmens hatte ein betriebswirtschaftliches Studium und ein Trainee-Programm absolviert. Um in das stark technologiegetriebene Unternehmen eine bessere Einstiegschance zu haben, absolvierte er auf Vermittlung des Vaters eine einjährige Tätigkeit bei einem branchenverwandten Unternehmen.
Nach Eintritt in das väterliche Unternehmen begann er seine Tätigkeit zunächst im Vertrieb. Zusammen mit den Ingenieuren und Technikern reiste er fast drei Jahre zunächst zu deutschen und später auch zu internationalen Kunden. Dies ermöglichte ihm ein intensives Verständnis des Produkts, der Kundenanforderungen und der projektbezogenen Entwicklungstätigkeit. Nebenbei qualifizierte er sich durch den täglichen Umgang mit dem relativ komplizierten Produkt als Gesprächspartner für die Ingenieure, ein Problem, daß der Vater als gelernter Ingenieur und ursprünglicher Erfinder der Anlagen nie hatte.
Nach dieser Lehrzeit ging die Entwicklung schnell: Im vierten Jahr wurde er Vertriebsleiter, im fünften Prokurist, im sechsten Jahr alleiniger Geschäftsführer. Die Erfahrung ermöglichte ihm eine schnelle und treffsichere Umsetzung entscheidender Veränderungen im Vertrieb und in der Entwicklung, die dem Unternehmen völlig neue Impulse gegeben haben. |
Nur wenige der interviewten Nachfolger begannen ihren Werdegang im Unternehmen innerhalb des Vertriebs. Ein Drittel der Junior-Unternehmer durchlief alle Abteilungen oder Bereiche des Unternehmens; nur einer fand seinen Einstieg in das Unternehmen als Betriebsleiter.
Generell scheint es wichtig, daß der Junior nach seiner Ausbildung Gelegenheit erhält, wesentliche Unternehmensbereiche kennenzulernen. Was dabei als wesentlich erachtet wird, sollte vor allem von der Beantwortung zweier Fragen abhängen:
- Wo schlägt das Herz des Unternehmens, wo ist das kulturelle Zentrum? Für ein Maschinenbauunternehmen wird diese Frage wohl oft mit der Entwicklungsabteilung oder dem Betrieb beantwortet werden. Für einen Konsumgüterhersteller wird zumeist eher der Vertrieb im Vordergrund stehen.
- Wo wird das Unternehmen in Zukunft am ehesten Handlungsbedarf haben? Ändern sich in einem Markt die Spielregeln, können plötzlich als unwesentlich erachtete Unternehmensbereiche die volle Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung erfordern.
Welcher dieser beiden Fragenkomplexe entscheidend ist, muß situationsspezifisch festgelegt werden. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Relevanz dieser Aussagen.
Als der Junior in das Unternehmen kam, blickte die Familie auf über 140 Jahre Tradition in einer Nische des Maschinenbaus zurück. Seit dem zweiten Weltkrieg wurden über 80% des Umsatzes im Bergbau erzielt. Die engen Kundenbeziehungen und die festen Lieferabkommen degradierten Abteilungen wie Vertrieb und Marketing zu Auftragsannehmern. So hatte sich eine Verwaltungskultur entwickelt, deren Hauptaugenmerk einer effizienten Gestaltung von Produktionsabläufen galt.
Nichts hätte näher gelegen, als den Nachfolger mit seinem betriebswirtschaftlichen Abschluß für einige Zeit Aufgaben in der Produktion und Entwicklung übernehmen zu lassen, um sich einzuarbeiten in die Denkweise der Ingenieure, die das Unternehmensgeschehen bestimmten. Da aber seit einigen Jahren immer deutlicher wurde, daß das Standbein Bergbau auf Dauer keine Überlebenschance bieten würde, war klar, daß das Unternehmen nur eine Zukunft hatte, wenn es neue Märkte erobern konnte. So stieg der Junior konsequenterweise in den Vertrieb ein, wo er schnell die Leitung übernahm. Bei dem Versuch, neue Kunden und Märkte zu öffnen, verstand er deren Anforderungen und konnte zusammen mit neu eingestellten Ingenieuren Ansätze einer kundenorientierteren Kultur entwickeln.
Nach nur 10 Jahren steht das Unternehmen heute solide auf einem anderen Bein. Bei konstantem Gesamtumsatz macht der Bergbau nur noch 20% aus. 60% des Umsatzes konnten also durch neue Vertriebserfolge ersetzt werden. Ein Verbleib in der alten Denkweise hätte wahrscheinlich das Aus für das Traditionsunternehmen bedeutet. |
Auch was die Dauer der Einarbeitung angeht, zeigt sich, daß diese in vielen Fällen nicht mit der nötigen Sorgfalt vorgenommen wird. Hierfür sind im wesentlichen zwei Tatsachen ausschlaggebend:
- Der Senior muß aus gesundheitlichen Gründen das Unternehmen frühzeitig verlassen oder verstirbt. Pikanterweise war bei allen untersuchten Fällen, in denen dieser Grund relevant war, der Senior bereits zum Zeitpunkt des Eintritts seines Nachfolgers in das Unternehmen krank oder tot. Dies zeigt, daß häufig viel zu spät mit der Nachfolgeregelung begonnen wird. Nicht selten schieden die Senioren erst mit weit über 70 aus dem Unternehmen aus.
- Der Junior drängt zu schnell nach der Macht. Einige Söhne erklärten ihrem Vater, sie würden sich nur dann der Aufgabe stellen, wenn diese innerhalb von zwei Jahren das Unternehmen vollständig verlassen würde. In einem solch kurzen Abschnitt bleibt kaum Zeit, sich in wesentliche Unternehmensbereiche einzuarbeiten (vgl. hierzu auch die folgenden Handlungsempfehlungen)
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